Auf dem heutigen Arbeitsmarkt wird es immer schwieriger, passendes Personal zu finden. Ambitionierte Recruiter entwickeln daher – oft notgedrungen – den Ansporn, erfinderisch zu sein und neue kreative Wege zu gehen. Eine äußerst effektive und unkonventionelle Methode ist das sogenannte „Guerilla Recruiting“. Diese Strategie erfordert nicht nur Mut, sondern auch ein gewisses Maß an Marketing-Know-how. Wer sich traut, kann so erfolgreich Fachkräfte für sein Unternehmen gewinnen. Heute beleuchten wir für Sie die Vor-& Nachteile, Tipps zur Ideen-Findung sowie Beispiele für das Guerilla Recruiting:

Inhaltsverzeichnis

1. Definition von Guerilla Recruiting
2. Welche Formen von Guerilla Recruiting gibt es?
3. Vorteile gegenüber konventionellem Recruiting
4. Mögliche Stolperfallen
5. Beispiele für Guerilla Recruiting
6. Ideen für Guerilla Recruiting – 11 Tipps

Wie lautet die Definition von Guerilla Recruiting?

Seine Definition leiht sich der Begriff Guerilla Recruiting vom Marketing. Jay C. Levinson, ein amerikanischer Marketing-Profi der 1980er-Jahre, nutzte die Wortschöpfung “Guerilla Marketing” als Bezeichnung für verblüffende und überraschende Werbeaktionen, die mit geringen, aber raffinierten Mitteln große Wirkung zeigen. Der Ausdruck »Guerilla« selbst leitet sich vom spanischen Wort für Krieg (»Guerra«) ab. »Guerilla« steht für eine spezielle Form der Kriegsführung, bei der unkonventionelle Strategien im feindlichen Hinterland eingesetzt werden. Die Taktik, auf unvermutete Mittel und Wege zu setzen, haben Personaler für ihr Recruiting adaptiert. Im Bereich Personalgewinnung hat sich auf diesem Weg letztlich der Begriff "Guerilla Recruiting" etabliert.

→ Im Vergleich zu traditionellen Rekrutierungsmethoden setzt Guerilla-Rekrutierung darauf, die Zielgruppe auf unerwartete und ungewöhnliche Weise anzusprechen.

Spürbar innovativ: Das irritierende Wesen der Guerilla-Taktiken

Charakteristisch für unerwartet zuschlagende Guerilla-Recruiting-Methoden sind folgende Merkmale. Die genannten Eigenschaften können sogar alle zeitgleich bei einer Guerilla-Recruiting-Kampagne präsent sein.

Wenn Recruiter es schaffen, Bewerber per Überraschungseffekt zu gewinnen, kann dies automatisch dazu führen, dass weitere vielversprechende Talente aufmerksam werden. Denn ungewöhnliche Aktionen haben eine hohe Viralität in den sozialen Netzwerken und werden dementsprechend intensiv weitergeteilt und verbreitet.

Welche Formen von Guerilla Recruiting gibt es?

Heutzutage existieren vielfältige einfallsreiche Herangehensweisen, um via Guerilla Recruiting das Interesse von Bewerbern zu erlangen. Im Nachfolgenden beschreiben wir Ihnen die markantesten Strategien:

Viral Recruiting

In diesem Fall wird eine kreative Guerilla-Strategie im virtuellen Raum umgesetzt, die bei Erfolg rasend schnell und viral verbreitet wird. Besonders wirkungsvoll sind Videoclips, die infolge ihrer Aufmerksamkeit erregenden Wirkung intensiv geteilt werden. Viral Recruiting hat sich als äußerst effektiv erwiesen und eröffnet Unternehmen spannende Möglichkeiten, den Blick auf sich zu ziehen.

Trojan Recruiting

Viele sind mit der epischen Sage des trojanischen Pferdes vertraut, in der Soldaten sich im Inneren des hölzernen Tieres versteckten. Diese List erlaubte es ihnen, unbemerkt durch die Tore von Trojas Stadtmauern zu schlüpfen und das feindliche Heer zu überrumpeln. Das Trojan Recruiting wendet eine ähnliche Taktik an, indem Talente, die bei der Konkurrenz arbeiten, durch getarnte Werbeaktionen erreicht werden. Durch diese subtile Vorgehensweise kann ein Unternehmen gezielt wertvolle Fachkräfte erreichen.

Tribal Recruiting

Die Methode des Tribal Recruiting ist eine gezielte Ansprache von Schlüsselpersonen, insbesondere Führungskräften, um nicht nur sie selbst, sondern auch ihr talentiertes Team zu gewinnen. Diese Methode eignet sich vor allem, wenn ein Unternehmen mehrere Positionen zeitgleich besetzen oder ein neues Team aufbauen will. Denn wer ein bereits eingespieltes Team in sein Unternehmen integriert, kann mit effizienten Fortschritten rechnen. Der Erfolg dieser Methode hängt jedoch stark von der Bindung der Mitarbeiter an ihren bisherigen Arbeitgeber ab.

Conspiracy Recruiting

Im Rahmen des Conspiracy Recruiting schaffen Personaler und Recruiter gezielt Gelegenheiten, um eine Verbindung zwischen sich als suchenden Arbeitgeber und den potenziellen Arbeitnehmern herzustellen – mit dem Ziel, das Interesse und die Neugier der Kandidaten auf geheimnisvolle Weise zu wecken. Durch persönliche Begegnungen und Gespräche taucht der potenzielle neue Mitarbeiter gleichsam unbemerkt tiefer in den Rekrutierungsprozess ein, ohne dass der Recruiter den eigentlichen Anwerbungsprozess vordergründig thematisiert.

Ambient Recruiting

Ambient Recruiting setzt auf die Veränderung des Ambientes der Zielgruppe, um die Unternehmensbotschaft oder Stellenanzeige auf unkonventionelle Weise zu vermitteln. Das nach Arbeitskräften suchende Unternehmen platziert beispielsweise ihre raffiniert konzipierte Stellenanzeige in der Lebensumgebung der Talente – um eine möglichst einprägsame Wirkung zu erzielen. Sei es durch Postkarten an Universitäten, Bierdeckeln in Restaurants oder Posterwänden vor einem Bürogebäude. Diese unkonventionelle Vorgehensweise zeigt dem potenziellen Bewerber, dass das Unternehmen innovativ und kreativ ist und sich von anderen Arbeitgebern abhebt.

Vorzüge & Risiken von Guerilla-Methoden abwägen:

Vorteile gegenüber konventionellem Recruiting

Indem Sie eine mutige Guerilla-Strategie in die Welt setzen, kann Ihr Unternehmen auf mehreren Wegen profitieren. Ähnlich wie beim Active Sourcing spricht die Methode potenzielle Kandidaten direkt an – jedoch oft völlig unerwartet im Arbeitsalltag oder Freizeitumfeld. Auf diesem Weg können Firmen gezielt zu potenziellen Kandidaten durchdringen, die aufgrund von hoher Nachfrage bereits ein gewisses Maß an Abwerbungsresistenz entwickelt haben. Eine Guerilla-Kampagne kann zudem punktuell in der Region oder sogar bei einem Konkurrenz-Unternehmen stattfinden, um die spezifische Zielgruppe anzusprechen.

Eine starke kreative Idee kombiniert mit einer weitreichenden Platzierung kann ein breiteres Publikum erreichen und mediale Aufmerksamkeit generieren. Dadurch steigt sowohl die Reichweite der Maßnahme als auch die Chance auf eine erhöhte Bewerberquote. Zusätzlich gewinnt das Unternehmen an Bekanntheit, kann sein Image stärken, Einblicke in die Unternehmenskultur gewähren sowie das Employer-Branding fördern. Für Guerilla Recruiting müssen Sie nicht zwingend ein großes Budget investieren.

Zusammengefasst:

• Guerilla-Recruiting-Kampagnen haben häufig eine hohe Medienwirksamkeit.
• Sie sprechen gezielt und direkt die potenziellen Kandidaten an, insbesondere für schwer besetzbare Stellen.
• Sie können Top-Personal erreichen, selbst wenn die Talente nicht aktiv auf Jobsuche sind.
• Es kommt zu einer höheren Anzahl an qualifizierten Bewerbungen.
• Guerilla-Aktionen sind mit geringem Budget realisierbar.
• Durch gezielte, lokale Planung entstehen nur geringe Streuverluste.
• Bekanntheit & Image Ihres Unternehmens steigt, das Employer Branding profitiert.

Mögliche Stolperfallen vermeiden

Neben den aufgeführten Vorzügen birgt das Guerilla Recruiting auch Risiken und Herausforderungen. Wie viel Humor oder Provokation ist angemessen? Es bedarf einer hohen Sensibilität und Umsicht seitens der Verantwortlichen, um sicherzustellen, dass die Aktion:

• niemanden diskriminiert
• politisch korrekt ist
• rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigt.

Überschreitet die Maßnahme Grenzen, können schnell negative Konsequenzen wie Shitstorms oder rechtliche Probleme entstehen.

Die gewählte Taktik soll zwar kreativ, witzig und unkonventionell sein, aber trotz Überraschungseffekt bestimmte Spielregeln einhalten. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Eine traditionsbewusste Firma kann schnell an Glaubwürdigkeit und Seriosität verlieren, wenn sie sich zu modern und fortschrittlich präsentiert. Es ist daher ebenso wichtig, dass das Guerilla Recruiting zum jeweiligen Unternehmen sowie zu dessen Werten und Prozessen passt. Eine pfiffige Werbeaktion kann beispielsweise fehl am Platz sein, wenn daraufhin ein veralteter, bürokratischer Bewerbungsprozess folgt. Stattdessen muss eine positive Candidate Experience von Anfang bis Ende gewährleistet werden, um Glaubwürdigkeitsprobleme zu vermeiden. Außerdem ist es schwierig, eine gestartete Aktion zu stoppen, sobald sie von einem negativen viralen Lauffeuer getrieben wird.

Rechtliche Rahmenbedingungen & juristische Konsequenzen beachten

• DSGVO: Dürfen Sie die Zielgruppe im Rahmen der Guerilla-Recruiting-Aktion direkt ansprechen?
• Arbeitnehmer direkt in ihrem Arbeitsumfeld zu kontaktieren, um diese abzuwerben, kann als unlauterer Wettbewerb gelten.
• Gefahrenschutz und Verkehrssicherheit: Handelt es sich um Privatgelände oder eine Verbotszone? Blockieren Sie eine Feuerwehranfahrtszone? Dürfen Sie die Gehwege für (Sonder-)Zwecke nutzen?
• Könnten finanzielle Aufwände beispielsweise durch Haftung oder Sachbeschädigung entstehen?

Von geistreich bis genial: Beispiele für Guerilla Recruiting

Zur Veranschaulichung und zur Inspiration haben wir hier drei berühmte Beispiele für Guerilla Recruiting für Sie ausgesucht:

Pizza Digitale

Die Werbe-Agentur Scholz&Friends sorgte mit ihrer Pizza Digitale für Verblüffung. In einer raffinierten Kombination von Ambient und Trojan Recruiting ließ die Agentur mithilfe eines Hamburger Pizzaservices bei Bestellungen von Konkurrenz-Unternehmen Pizzen einer besonderen Art ausliefern: Die Pizzen verfügten über einen mit Tomatensoße gestalteten QR-Code, der auf die Karriere-Seite der Website von Scholz&Friends führte.

1-Cent-Überweisungen

Ein Unternehmen erregte mit einer originellen Guerilla Recruiting Strategie Aufmerksamkeit, um qualifizierte Buchhalter zu gewinnen. Dabei wurden auf die Bankkonten der Arbeitgeber der Zielgruppe einzelne 1-Cent-Beträge überwiesen, begleitet von einem gekonnt eingeschleusten Hinweis auf die Stellenanzeige. Ein cleverer Schachzug: Denn anhand dieser geplanten Irritation konnten die potenziell interessierten Bewerber ihren Blick für Details und ihre Sorgfalt unter Beweis stellen, während das Unternehmen geeignete Kandidaten filterte.

Lorem Ipsum

Auch die Agentur Jung von Matt positionierte sich durch den Einsatz von Guerilla Recruiting im Rampenlicht.
Häufig verwenden Webdesigner Platzhalter-Texte wie "Lorem Ipsum Dolor" für ihre Website-Entwürfe. Um solche Texte zu erstellen, gibt es Blindtextgeneratoren. Die Agentur Jung und Matt manipulierte einen solchen Generator und versteckte Codezeilen, die den ursprünglichen Text in eine Stellenausschreibung umgewandelten.
Über 220.000 Designer kamen mit dem Jobangebot in Kontakt und 14.000 besuchten daraufhin die Karriereseite von Jung von Matt. Ein smarter Ansatz, bestehend aus trojanischem und viralem Recruiting.

Ideen für das Guerilla Recruiting entwickeln – 11 Tipps

Sie suchen für Ihre Guerilla-Recruiting-Aktion eine Idee? Folgende Tipps geben wir Ihnen für die vielschichtige Planung mit auf den Weg:

• Es gibt viele erfolgreiche Beispiele für Guerilla Recruiting, jedoch sollten Sie vermeiden, diese schlicht zu kopieren. Stattdessen sollte man sich von anderen Ideen inspirieren lassen und eigene Kampagnen entwickeln, die zur Branche, zum Unternehmen und zur Unternehmenskultur passen.
• Bei der Planung von Guerilla-Recruiting-Aktionen sollten Sie immer darauf achten, dass diese zu Ihrer Arbeitgebermarke passen und nicht im Widerspruch zu Ihren Markenwerten stehen. Briefen Sie Ihre Umsetzungspartner (Agentur und Promotion-Teams) entsprechend.
• Guerilla Recruiting kann sich in Unternehmensbereichen lohnen, in denen Top-Talente benötigt werden, die langfristig gebunden werden sollen. Es empfiehlt sich daher, die Empfänger der Guerilla-Taktik vorab strikt einzugrenzen, bevor Sie eine aufwendige Maßnahme planen.
• Ein entscheidendes Erfolgskriterium beim Guerilla Recruiting besteht darin, die zu begeisternde Zielgruppe exakt zu kennen: etwa bezüglich Vorlieben, Empfänglichkeiten oder Jargons. Nur so kann das Unternehmen sicherstellen, dass es die Zielgruppe individuell und treffend anspricht. Personaler nutzen hierfür strategisch Zielgruppen-Personas.
• Guerilla Recruiting ist nicht nur vom Erfindungsreichtum der Idee und deren Umsetzung abhängig, sondern auch von der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, das man ansprechen möchte. Um diese Bindung zu ermitteln, sind Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu und glassdoor hilfreich.
• Guerilla Recruiting funktioniert am besten als Strategie im Alltag: Überraschen Sie die potenziellen Bewerber in ihren normalen Tagesabläufen – umso verblüffender ist der Effekt.
• Absolute Geheimhaltung: Die manchmal monatelange Vorbereitung erfordert Verschwiegenheit im Team, damit die Kampagne nicht nach außen hin bekannt wird und scheitert.
• Achten Sie bei der Umsetzung von raffinierten Aktionen unbedingt auf Datenschutz und Wettbewerbsrecht, da vermeintlich smartes Guerilla-Recruiting sonst unerwartet teure Folgen haben kann.
• Wenn Sie mit Guerilla Recruiting Fachkräfte bei der Konkurrenz abwerben möchten, könnte das als Provokation ausgelegt werden – seien Sie sich über mögliche Konsequenzen im Klaren.
• Der begleitende Recruiting-Prozess sollte schnell und unkompliziert sein und die ausgelöste Begeisterung der angesprochenen Personen gekonnt einfangen. Sie können QR-Codes und einzigartige Landingpages für die Stellenanzeige einplanen, um direkt mit den Kandidaten in Kontakt zu treten. Umständliche Bewerbungsformulare eignen sich weniger.
• Erstellen Sie eine App, ein Rätsel oder ein Online-Spiel, welches die Kandidaten dazu anregt, ihre Fertigkeiten zu demonstrieren. So ermuntern Sie die Besten der Besten kreativ dazu, sich für eine Stelle zu bewerben und können gleichzeitig die Eignung der Kandidaten überprüfen.

Inwiefern ist der Erfolg einer Guerilla-Recruiting-Kampagne messbar?

Durch die Verwendung von Tracking-Codes können Unternehmen die Herkunft der Bewerber nachverfolgen und herausfinden, welche Guerilla-Recruiting-Aktionen erfolgreich waren. Dies ermöglicht eine genauere Analyse der Kampagnenleistung und unterstützt die Optimierung zukünftiger Guerilla-Recruiting-Initiativen.

Exklusive Rolle von Guerilla-Aktionen im Recruiting

Die meisten Unternehmen können innovative Guerilla-Recruiting-Maßnahmen in der Praxis nur sporadisch umsetzen – sowohl mit als auch ohne Hilfe einer Kreativ-Agentur. Guerilla-Aktionen gelten vielmehr als akzentvolle Krönung einer Personalgewinnungsstrategie. Gleichwohl kann es sich durchaus lohnen, Ihr Employer Branding gelegentlich durch Guerilla-Aktionen zu bereichern.